TROTZDEM - Dein JA trägt.

Monika Arndt. Unter diesem Motto treffen sich am Samstag, den 16. Juli 2022, Vertreter des internationalen Familienwerkes und der Marienbrüder in Dachau, um den 80. Gründungstag ihrer beiden Gemeinschaften zu feiern. Gleichzeitig steht die Ehe von Dr. Fritz Kühr, mit dem Pater Kentenich im KZ Dachau die Gründung des Familienwerkes vollzogen hatte, und dessen Frau Helene im Fokus. Die beiden gaben sich vor 100 Jahren ihr JA-Wort, das sie auch unter schwierigsten Lebensbedingungen getragen hat.  Anlass genug, um an den Gründungsort, in die KZ-Gedenkstätte, einzuladen und dabei auch die Mitgründungspersönlichkeiten mit ihren Lebens- und Schicksalsgeschichten in den Blick zu nehmen.

Eine überschaubare Zahl – nicht zuletzt aufgrund von Corona - ist nach Dachau gekommen, dafür vielfältig und spürbar motiviert, diesen Tag miteinander zu verbringen. Nach der herzlichen Begrüßung durch Aloisia und Albert Busch werden die Teilnehmer von Sr. Elinor zum Aufenthalt in der KZ-Gedenkstätte eingeführt.

Unterwegssein – gemeinsam.

Es ist eine Jubiläumfeier der besonderen Art. Kein großes Festtagsprogramm mit zahlreichen Reden oder Workshops – stattdessen eine eher stille Zeit des Unterwegsseins „auf der Lagerstraße“. Ein Begegnungs- und Besinnungstag. Eine persönliche oder auch gemeinsame Suche nach dem, was wirklich trägt, wenn alles Kopf steht, wenn vermeintliche Sicherheiten zerplatzen, wenn Leben bedroht ist. Die allgegenwärtigen Gräuel dieses Ortes, stehen dabei diesmal nicht im Vordergrund. Es geht vielmehr um einen Perspektivwechsel – hin zu einer Überlebensstrategie der besonderen Art, die es manchen Menschen nicht nur ermöglicht hat, Dachau zu überstehen, sondern dort sogar Frei-Raum für Lebensaufbrüche zu finden. Wie kann das sein?

Für ihre Suche bekommen die Teilnehmer ein wertvolles Impulsheft an die Hand, in denen sieben Wegstationen - gestaltet von Ulrike und Edwin Bertrand sowie Harald M. Knes - zum Nachdenken und Austausch anregen. Ausgehend vom Leben Dr. Eduard Pesendorfers und des Ehepaar Kührs heißt es z.B. Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Freundschaften als inneres Band in schwerer Zeit, Nachfolge Christi und christlicher Lebensstil,…

Gott geht mit. Sein JA trägt.  

Der Höhepunkt des Tages ist die Eucharistiefeier in der Todesangst Christi-Kapelle, mit den Zelebranten Pater Antonio Bracht aus Brasilien, dem Bewegungsleiter Pater Ludwig Güthlein und Pater Otto Amberger als Mitarbeiter der Familienbewegung. Dank Schönstatt-TV kann sie weltweit mitvollzogen werden. „Zum ersten Mal feiern wir ein solches Jubiläum auf diese Weise vernetzt,“ begrüßen Patricia und Pepo Köstner, die Generaloberenfamilie des Institutes der Schönstattfamilien, die Teilnehmenden. Aus sechs Ländern sind sie vor Ort – Argentinien, Brasilien, Chile, Deutschland, Österreich und Tschechien -  stellvertretend für alle, die sich zugeschaltet haben. „Aus dem unscheinbaren Beginn ist eine Gemeinschaft gewachsen, die in 21 Ländern vertreten ist. Wir versuchen den Traum unseres Gründers zu verwirklichen, als Ehepaare Christus in besonderer Weise nachzufolgen.“, so Ehepaar Köstner weiter. „Wie kann Ehe unter schwierigen Bedingungen gelingen? Wie können wir auch heute Lebensräume schaffen, die von Liebe geprägt sind, in denen Glauben und Vertrauen wachsen können?“

Auch der Generalobere der Marienbrüder, Thomas M. Butz, begrüßt die Mitfeiernden: „Eigentlich alles spricht dagegen, dass aus der Gründung etwas wird. Die Umstände konnten nicht widerwärtiger sein. Und jetzt stehen wir 80 Jahre später hier – und es wurde etwas daraus!“ Wie kann das sein?

Vielleicht liegt der Schlüssel zur Antwort darin verborgen, dass es selbst in der „Hölle von Dachau“ Erfahrungen der Nähe und Gegenwart Gottes gab. Diese Möglichkeit wurde verstärkt durch die Erlaubnis, im Priesterblock eine Kapelle zu errichten und dort täglich die Heilige Messe zu feiern. So kam es, dass sie „einen Häftling im Lager mehr hatten, als die in den offiziellen Listen der Schreibstube verzeichneten“ schreibt Adam Kozlowiecki SJ in seinem Lagertagebuch. (ebd. Not und Bedrängnis. Als Jesuit in Auschwitz und Dachau, Verlag Friedrich Pustet 2016, S. 305). Diesen Häftling fürchteten sie mehr als alles andere, sodass sie sogar einen Extrastacheldrahtzaun um Block 26 errichteten… Doch kein Zaun der Welt kann das Wirken dieses „Mithäftlings“ verhindern…

In seiner Predigt zeigt Pater Antonio auf, dass es darum geht, Zusammenhänge mit dem Heute, mit der Realität herzustellen. „Was geht weiter? Wie geht es weiter? fragte er. „Es geht nicht weiter, indem wir vergessen oder verdrängen. Auch nicht, indem wir andere ‚umerziehen‘. Dachau ist heute. Auch heute geschehen in der Welt Dinge, die ‚Dachau-mäßig‘ sind – es gibt Ausgrenzung, Diskriminierung, Entmenschlichung. Es gibt Orte, die wie ‚Höllen‘ sind. Und manchmal sind diese Orte sogar in den Familien …“

Wandel im Freiraum persönlicher Begegnung.

Aber es gibt heute wie damals auch die Erfahrung von Gnade, von einer Kraft, die trägt, die neue Lebensaufbrüche ermöglicht. Es kommt darauf an, sie wahrzunehmen, zu begleiten, zu teilen. Und damals wie heute geschieht dies in oft unscheinbaren Begegnungen. Pater Kentenich hat diese kleinen Freiräume zur Begegnung wahrgenommen und genutzt. Er hat auch die Menschen wahrgenommen, wie Dr. Eduard Pesendorfer oder Dr. Fritz Kühr, die für diese Begegnungen offen waren. Es kommt darauf an, dass auch wir offen sind, dass auch wir die Menschen wahrnehmen, die auf der Suche sind, die offen sind, die ihr JA gegeben haben und es leben wollen. „Es kommt darauf an, dass auch wir die ‚Edis, Helenes oder Fritzes‘ in unserer Umgebung wahrnehmen und mit ihnen gehen.“

Ein JA, das zum Leben führt.

„Das ist unsere Aufgabe heute. Es geht um die Einheit in der Liebe, die das JA tragbar macht. Es geht um die Liebe, die in der Einheit Gottes begründet ist.“ Mit diesen Worten bringt Pater Antonio die Botschaft des Tages auf den Punkt.

Nach der Messe, die musikalisch von Bernhard Arndt, Manuela Miller und Arnulf Rausch gestaltet wurde, klingt der Tag langsam aus. Tatsächlich hinterlassen die persönlichen Begegnungen und Gespräche „auf der Lagerstraße“ den vielleicht nachhaltigsten Eindruck. Das erlebte Miteinander der Teilnehmenden aus verschiedenen Schönstatt-Gemeinschaften, die Erfahrung ähnlicher Fragen und Anliegen, die Verbundenheit im Liebesbündnis, das auch an diesem Ort erneuert wurde.

Was bleibt? Was geht weiter? Wie geht es weiter?

Diese Fragen haben sich die anwesenden Familien auch am folgenden Tag noch gestellt, bei einer intensiven Gesprächsrunde im Max-Mannheimer-Haus, dem nahegelegenen Jugendgästehaus, in dem sie untergeberacht waren. Diese Fragen bleiben und begleiten uns weiterhin. Doch wir nehmen auch den Schlüssel mit: die verborgene Gegenwart Christi. Und den Weg: echte Begegnung, die Freiraum schafft.
Und das Vertrauen auf ein JA, das trotz allem trägt…

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